Evaluation Pilotprojekt Portier Basel
Definition
Evaluatorinnen
Der innovative, agile und partizipative Charakter des Projekts erfordert einen ebenso innovativen und flexiblen Evaluationsansatz. Öffentlichkeitswirksam zu evaluieren bedeutet auch für uns Neuland und wir freuen uns darauf, dieses gemeinsam mit allen Beteiligten zu entdecken.
Ansatz
Mit der Evaluation werden folgende Ziele verfolgt:
- Die Evaluation überprüft die Wirkung des Pilotprojekts Portier für die verschiedenen Zielgruppen. Die Zielgruppen des Pilotprojekts sind
- die ältere Quartierbevölkerung von Clara und Wettstein (Menschen im 3. und 4. Alter)
- die netzwerkbildenden Personen und Organisationen aus den beiden Quartieren
- der Quartiertreffpunkt Wettstein
- Die Evaluation begleitet und dokumentiert den Lernprozess, der bei den im Pilotprojekt involvierten Personen und Organisationen erfolgt.
- Die Evaluation überprüft die Multiplizierbarkeit der im Pilotprojekt entwickelten Ansätze.
Damit die Wirkung des Pilotprojekts im Rahmen der Evaluation überprüfbar ist, wurde ein Wirkmodell erarbeitet. Das Wirkmodell zeigt auf, was im Rahmen des Pilotprojektes getan wird (Input), um ein konkretes Resultat zu erzielen (Output) und was dadurch verändert oder erreicht werden soll (Wirkung). Anhand konkreter Fragestellungen wird im Rahmen der Evaluation überprüft, ob und in welchem Ausmass der gewünschte Output und die gewünschte Wirkung realisiert werden konnten.
So sieht das Wirkmodell für die Evaluation des Pilotprojekts Portier Basel aus (vereinfachte Version):
Vorgehen
Vorgehen Erhebungsphase 1
Wichtigste Ergebnisse der Zwischenevaluation
Die Zwischenevaluation zeigt, dass im Rahmen des Pilotprojekts unterschiedliche analoge und digitale Strukturen für die beiden Quartiere aufgebaut wurden. Diese Strukturen erfüllen unterschiedliche Zielsetzungen:
- Austausch im Quartier fördern
- Information über Projekt / Quartierleben
- Aktivitäten ermöglichen
- Im Rahmen des Pilotprojekts konnten netzwerkbildende Elemente aufgebaut werden. Dies sind insbesondere die unterstützenden Strukturen sowie die netzwerkbildenden Schlüsselpersonen. Zwischen den einzelnen Elementen bestehen jedoch kaum (oder nur lose) Verbindungen.
- Die Projektorganisation (und insbesondere auch die Anlaufstelle im QTP Wettstein) hat eine wichtige Funktion: Sie steuert das Netzwerk und unterhält die unterstützenden Strukturen.
- In welchem Ausmass die Vernetzung zwischen den Quartierbewohner:innen bzw. den unterschiedlichen losen Netzwerken gestärkt werden konnte, ist aktuell noch nicht bekannt.
Empfehlungen
Aus den Ergebnissen der Zwischenevaluation wurden Empfehlungen für die weitere Ausgestaltung des Pilotprojekts abgeleitet. Diese Empfehlungen geben Hinweise darauf:
- welche Fragen in Bezug auf das selbstorganisierte Netzwerk geprüft werden sollten
- wie das Vorgehen im Pilotprojekt weiterentwickelt werden könnte und welche Haltungs- und Kulturdiskussionen dabei wichtig sein könnten
- wie die unterstützenden Strukturen weiter auf- und ausgebaut werden könnten
- Prüfen, ob es formalisierte Rollen im selbstorganisierten Netzwerk benötigt
- Systematische Überprüfung des Einbezugs: Sind alle Zielgruppen im Netzwerk vertreten? Falls nicht: Zugänge schaffen.
- Prüfen, inwiefern die Vernetzung der beiden Quartiere / der Einbezug von Clara (aktuell) sinnvoll ist.
- Empowerment Prozess beginnen: Frühzeitig überlegen, welche Fähigkeiten im Netzwerk vorhanden sein müssen und diese aktiv erarbeiten.
- Identifikation mit Projekt bewusst fördern.
- Awareness für inklusives Vorgehen beibehalten (1) bei Projektleitung und (2) bei Netzwerkteilnehmenden.
- Kulturwandel im Quartier sichtbar machen.
- Diskussion rund um Unterstützung/Hilfe weiterführen.
- Beobachten, ob und wie eine sorgende / Caring Community entwickelt werden kann.
- Prüfen, ob es formalisierte Strukturen für Teilgabe und Teilhabe benötigt:
- klare Strukturen und Gefässe innerhalb derer Unterstützung angeboten und bezogen werden kann
- Übersicht über Unterstützungsbedürfnisse und Unterstützungsangebote
- «Multimedialen» Informationsansatz beibehalten (Information über unterschiedliche Kanäle) um möglichst viele Menschen zu erreichen.
- Slack: Inklusivität und Usability prüfen.
- Kombination unterschiedlicher unterstützender Strukturen bzgl. Funktion der Struktur, Örtlichkeit, Form (digital vs. analog) beibehalten.
- Nutzung der Strukturen analysieren: Welche Strukturen werden von wem, wie und zu welchem Zweck genutzt?
- Generierung weiterer Massnahmen und Strukturen , die Teilgabe im Sinne von Zusammensein, spontan und niederschwellig Unterstützung leisten und «Da sein» fördern.
Vorgehen Erhebungsphase 2
Ergebnisse
- Es gibt Strukturen mit eigenen Netzwerken (orange), die bereits vor dem Projekt bestanden haben. Diese wurden für das Projekt genutzt und konnten selbst an Sichtbarkeit gewinnen.
- Es gibt Strukturen (blau), die im Rahmen des Pilotprojekts aufgebaut wurden und die primär der Sichtbarmachung bestehender Strukturen dienen (Funktion: Information und Austausch).
- Es gibt Strukturen (violett), die im Rahmen des Pilotprojekts bewusst aufgebaut wurden oder sich daraus entwickelt haben und primär dem Austausch, gemeinsamen Aktivitäten oder der Projektentwicklung dienen.
Die nachfolgende Grafik stellt dar, wie das Organisationsmodell zum Zeitpunkt der Schlussevaluation ausgestaltet ist. Folgende Erkenntnisse haben sich seit der Zwischenevaluation im Dezember 2022 akzentuiert:
- Es konnten Strukturen und Verbindungen unterschiedlichster Art aufgebaut werden (violette Punkte mit Nummern). Die unterschiedlichen Verbindungsarten sind nur exemplarisch eingezeichnet und kommen an unterschiedlichen Stellen im Netzwerk vor.
- Diese Strukturen, Verbindungen und Kontakte sind unterschiedlich stark und teilweise auch nur temporär .
- Die Wichtigkeit der Projektorganisation zeigt sich immer deutlicher: Zentrale Steuerung / Community Management als wichtige Voraussetzung dafür, dass Strukturen und Kontakte gebildet und unterhalten werden und die diesbezüglichen Informationen vorhanden sind bzw. geteilt werden.
Erkenntnisse zur Partizipation
Die Erarbeitung der Lösung erfolgte in einem äusserst partizipativen Prozess. Aus Sicht der Zielgruppen waren ausreichende und passende Partizipationsmöglichkeiten vorhanden und Gestaltungsspielraum gegeben. Die Idee, eine digitale Lösung (ursprünglich eine App) als Hilfestellung für die Überwindung der Zugangshürden zu finden, bestand jedoch von Anfang an. Entsprechend war der partizipative Prozess nur teilweise ergebnisoffen. Der partizipative Prozess barg zudem die Herausforderung, dass unterschiedliche Stakeholder mit unterschiedlichen Bedürfnissen und (zeitlichen) Ressourcen und Informationsstand aufeinandertrafen. Dies erforderte viel Zeit für Diskussionen und eine gemeinsame Zielfindung. Zudem konnten nicht alle Menschen im Quartier gleichermassen erreicht werden: Menschen im dritten Alter haben sich aktiv an der Erarbeitung der Lösung beteiligt und wirken im Projekt mit. Menschen im vierten Alter wurden zu ihren Bedürfnissen befragt, waren aber nicht an der Erarbeitung der Lösung beteiligt. Auch das Gewerbe konnte bisher kaum involviert werden, Institutionen/Organisationen nur in Einzelfällen.
die aktiv involviert sind:
Begegnen anderen Menschen im Quartier offener und haben durch das Projekt eine Legitimation bzw. einen guten Einstieg, um in Kontakt zu treten. Spüren eine Veränderung im Quartier (offener, freundlicher).
die über einen der Kommunikationskanäle erreicht werden:
Veränderung/Steigerung der Informations-wahrnehmung, Wissen über Angebote im Quartier verändert sich.
Im Wettstein-Quartier scheint sich das Quartierleben teilweise verändert zu haben: Es entstehen mehr Kontakte, da durch die Projektstrukturen ein sicheres Kontaktknüpfen ermöglicht wird.
Ob für sie eine Veränderung spürbar ist, konnte im Rahmen der Evaluation aufgrund der Datenlage nicht beantwortet werden.
Schlussfolgerungen
Die 8 wichtigsten Schlussfolgerungen zum Pilotprojekt und dem gewählten Ansatz sind:
Die vorhandenen und die neu geschaffenen Strukturen beziehen sich insbesondere auf die Informationsvermittlung und Begegnungsorte / gemeinsame Aktivitäten.
Teilhabe und Teilgabe im Sinne von individuellen Hilfestellungen (geben und empfangen) konnte sich noch nicht sichtlich verstärken bzw. etablieren (erste Erfolge sind jedoch sichtbar).
Kompetenzen und Einstellung bezüglich der Digitalisierung sind im Wandel: aktive ältere Bevölkerung (im dritten Alter) ist mit digitalen Strukturen vertraut und ist sich die Anwendung gewohnt.
Der Zugang zu Menschen im vierten Alter gestaltet sich schwieriger. Potenzial für die bessere Erreichbarkeit liegt in der Zusammenarbeit mit Institutionen/Organisationen des Altersbereichs.
Zentrale Bedürfnisse von Menschen im vulnerablen vierten Alter sind soziale Kontakte für Austausch und gemeinsame Aktivitäten sowie Sicherheit.
Quartierbezogene Angebote sind wichtig: Die räumliche Nähe ist eine wichtige Voraussetzung, dass Angebote von älteren Menschen genutzt werden (können).
Ähnliche Projekte sind auf einen Zeithorizont von 5 Jahren ausgerichtet (waren nach drei Jahren noch nicht selbsttragend).
Allenfalls braucht es auch danach noch eine Art Community Management bzw. formalisierte Strukturen und Rollen.
Aus Sicht der Zielgruppen sind und waren ausreichend und passende Partizipationsmöglichkeiten vorhanden. Die Rahmenbedingungen der Partizipation hätten teilweise transparenter gemacht werden können (Wie sieht der Gestaltungsspielraum aus? Was ist bereits definiert? Wer entscheidet?)
Zusätzliche Strukturen sind dann wirkungsvoll, wenn sie das bereits Bestehende sichtbar machen und dieses sinnvoll ergänzen (d.h. die Gesamtheit der Strukturen erfüllt unterschiedliche Zwecke: Information – Austausch – Aktivität).
Je mehr Strukturen und Informationskanäle vorhanden sind, desto wichtiger ist die Synchronisierung dieser Kanäle (gleiche Informationen auf allen Kanälen).
Intrinsische Motivation der Quartierbevölkerung: Rahmen muss geschaffen werden, innerhalb dessen die Menschen selbstbestimmt ihre Rolle finden können (was möchten sie wann, wie und für wen beitragen oder erhalten). Freiwilligkeit in unserer Gesellschaft verändert sich: Ressourcen- und Motivationsfrage.
Einzelne Beispiele aus dem Projekt zeigen, dass bestehende Institutionen / Organisationen wichtige Kontaktpunkte zu den Zielgruppen darstellen und die vertrauensbildende Funktion wahrnehmen können, die für Teilhabe und Teilgabe zentral ist (Voraussetzung: Ressourcen stehen zur Verfügung). In der Zusammenarbeit mit Institutionen liegt Potenzial, um insbesondere auch Menschen im vierten Alter oder Menschen, die kaum vernetzt sind, zu erreichen bzw. ihnen den Zugang zum Quartiernetzwerk zu ermöglichen.
Mithilfe der Evaluation soll unter anderem die Multiplizierbarkeit der entwickelten Lösung verifiziert werden. Folgende Schlussfolgerungen lassen sich diesbezüglich ableiten:
- Was genau soll multipliziert werden: das Ergebnis oder der partizipative Prozess? Aus externer Sicht ist der partizipative Prozess zur Erarbeitung von Lösungen und Schaffung von Strukturen bereits ein wichtiger Teil des Resultats (insbesondere bei Anspruch auf Ergebnisoffenheit).
- Der partizipative Prozess und der Aufbau der Strukturen muss begleitet werden (Community Management). Dafür müssen genügend (finanzielle) Ressourcen zur Verfügung stehen.
- Bestehende Strukturen und ein vernetztes Community Management sind wichtige Pfeiler, um das Projekt etablieren zu können und tragfähig zu machen.
- Der konzeptionelle Ansatz und das Projektvorgehen
- Rolle (Community Management mit Funktionen und Aufgaben), Projektorganisation
- Ideensammlung für mögliche unterstützende Strukturen
- Katalog förderlicher Rahmenbedingungen und möglicher Herausforderungen
Die im Pilotprojekt Portier Basel entwickelten Tools:
- Kommunikationsvorlagen, bspw. Informationsflyer, Teilhabe-Karten, Plakate, Setz-dich-dazu
- Webapp
Empfehlungen
Aus den Ergebnissen der Evaluation lassen sich Empfehlungen dazu ableiten, welche Fragen in Fragen in Bezug auf das selbstorganisierte Netzwerk geprüft werden sollten, welche Erfolgsfaktoren zu erhalten oder auszubauen sind und wo noch ungenutztes Potenzial besteht. Die meisten Empfehlungen lassen sich auch auf allfällige weitere Projekte übertragen.
- Das Community Management (hier der Quartiertreffpunkt Wettstein) ist unerlässlich für Aufbau und Erhalt des Netzwerks und daher weiterzuführen, bis das Netzwerk von der Community getragen wird (möglicherweise auch längerfristig).
- Prüfen, ob es weitere formalisierte Rollen im selbstorganisierten Netzwerk benötigt. Personen, die ein Commitment zum Prozess haben, können so handlungsfähig gemacht werden (z.B. durch die Bildung von Arbeitsgruppen, Subgruppen, etc.)
- Die involvierten Personen sollen sich ihre Funktion selbst geben können – abhängig davon, was sie beitragen oder empfangen können und möchten.
- Unterstützung (auch emotional) der involvierten Personen durch Fachpersonen (bspw. bzgl. Abgrenzung) gewährleisten.
- Systematische Überprüfung des Einbezugs: Gibt es Zielgruppen die nicht / wenig vertreten sind? Falls ja: Gezielte Suche nach Schlüsselpersonen und weiteren Möglichkeiten, um die fehlenden Zielgruppen zu involvieren
- Bewusstsein für Identifikationsprozess schärfen – Identifikation mit Projekt ist relevanter Aspekt für Erfolg des Prozesses.
- Awareness für inklusives Vorgehen beibehalten (1) bei Projektleitung und (2) bei Netzwerkteilnehmenden.
- Kulturwandel im Quartier sichtbar machen.
- Diskussion rund um Unterstützung / Hilfe weiterführen.
- Kombination unterschiedlicher unterstützender Strukturen bzgl. Funktion der Struktur, Örtlichkeit, Form (digital vs. analog) beibehalten.
- Um Einbezug und Einstieg weiterhin zu ermöglichen und zu fördern, den «multimedialen» Informationsansatz» beibehalten oder ausbauen (Information über unterschiedliche analoge und digitale Kanäle).
- Verschiedene digitale Kanäle sind wichtig, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Misstrauen gegenüber digitalen Kanälen nicht unterschätzen und allenfalls Angebote schaffen, um diesbezügliche Hürden zu überwinden.
- Beim Ausbau der Kanäle (v.a. der digitalen Kanäle) darauf achten, dass die Rolle der einzelnen Kanäle für die Zielgruppen klar ist und die Synchronisation der Kanäle sichergestellt ist (Steuerung idealerweise über das Community Management). Nur so viele unterschiedliche Kanäle wie nötig, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen.
- Persönliche Kontakte aktiv als Ressource mitdenken und nutzen: (digitale) Informationen führen erst durch weiterführende Erklärungen und/oder Vertrauensbildung im persönlichen Austausch zu Handlungen (im Sinne von Teilhabe und Teilgabe)
- Prüfen, ob es formalisierte Strukturen für Teilgabe und Teilhabe benötigt:
- klare Strukturen und Gefässe innerhalb derer Unterstützung angeboten und bezogen werden kann (z.B. digitale und analoge Teilnahme und Teilgabe Börse einrichten)
- Übersicht über Unterstützungsbedarf und Unterstützungsangebote
Das Pilotprojekt Portier Basel wurde finanziert durch